Die Chronik des Kartsports
Beat Raemy
Wir schreiben das Jahr 2021, das Gründungsjahr des Vereins «Swiss Historic Karting». Genau 65 Jahre ist es nun her, seit der Kartsport in den USA erfunden wurde. Das erste Kart entstand im August 1956 in Kalifornien, konstruiert von Art Ingels und Lou Borelli. Es war ein kleines Fahrzeug mit einem Rohrrahmen, das vom West Bend-Motor eines Rasenmähers angetrieben wurde. Am 14. September 1956 fährt Art Ingels mit seiner Maschine um die Boxen in Pomona, wo ein Autorennen stattfand. Duffy Livingstone gehörte zu den Zeugen dieses ersten öffentlichen Auftritts des Karts von Ingels. Davon verführt, baute Livingstone zwei weitere Karts für sich und einen Freund. Im November führte Livingstone seinen ersten Test durch und lud dazu seinen Mitarbeiter Roy Desbrow ein, mit dem er ein Unternehmen leitete, das sich auf die Reparatur und Herstellung von Auspuffanlagen spezialisiert hatte. Desbrow konnte nicht widerstehen und stellte wiederum drei weitere Karts her. All diese Kartbesitzer bzw. -hersteller trafen sich nun regelmässig an Wochenenden auf Supermarktparkplätzen, wo sie ihre neuen Sportgeräte im Wettbewerb fuhren und wo sie unweigerlich von der örtlichen Polizei «besucht» wurden.
Der Startschuss
Nachdem in Europa 1958/59 erste private Versuche durchgeführt wurden, fand 1959 in England auf dem Formel-1-Circuit von Brands-Hatch eine Demo-Veranstaltung mit den neuartigen Sportgeräten statt, die mehrere Tausend Zuschauer anlockte. Im Winter 1959/60 wurde dann der «British Kart-Club» gegründet. Beinahe explosionsartig breitete sich der Kartsport in der Folge über Europa aus. Grossen Anklang fand der neue Sport in Frankreich, wo innert kurzer Zeit eine stattliche Zahl an permanenten Pisten realisiert wurden. Das führte dazu, dass Frankreich zu Beginn der Sechziger-Jahre als Kartsport-Hochburg in Europa galt.
Im Februar 1960 gründete der Wiesbadener Automobilclub den Go-Kart-Club Deutschland (GKCD), der dem Automobilclub von Deutschland (AvD) angeschlossen war.
Das erste Go-Kart-Rennen auf deutschem Boden fand im April 1960 in Wiesbaden statt. Im November 1961 fand in der DDR in einer Leipziger Messehalle das erste Rennen mit den dort K-Wagen genannten Karts statt.
Start in der Schweiz
In der Schweiz wurden die ersten Karts Ende der 50er Jahre eingeführt. Das erste Demonstrationsrennen fand 1959 in Basel statt, worauf 1960 – als Auftakt zum Internationalen Rallye de Genève – in Genf eine weitere Promo-Veranstaltung über die Bühne ging. In der Folge wurden einige Karting-Clubs gegründet und als erster organisierte der Waadtländer Kart-Club in Lausanne den «Grand-Prix d’Europe», welcher gut 8’000 Zuschauer anlockte. Am 24. April 1961 fand dann auf dem Gelände der Flugzeugwerke Pilatus AG in Stans das 1. Internationale Kart-Rennen in der Deutschschweiz statt. Das vom Zürcher Kart Racing Club veranstaltete Rennen zog 3’500 Zuschauer an.
Nachdem die ersten «Gehversuche» in der Bevölkerung und der Presse positiv aufgenommen wurden, machte sich eine Handvoll Idealisten an die Gründung einer Vereinigung der Kart-Clubs. In Anlehnung an das angrenzende Ausland, wo die Dachorganisation als Teil der Landes-Automobilverbände aufgenommen wurden, lag es nahe, dass die Gruppe der Initianten unter der Leitung des Genfer Geschäftsmann Georges Filipinetti, den Anschluss an den Automobil Club der Schweiz (ACS) anstrebte. Aus welchen Gründen auch immer, wollte der ACS aber ausser der Aufsicht, mit dem Kartsport nichts zu tun haben. Es wurde deshalb am 18. März 1961 die «Fédération Suisse de Karting» (FSK) gegründet. Ihr gehörten bereits zu Beginn neun Klubs aus allen Landesgegenden an. Weil jedoch alle Einladungen zu internationalen Veranstaltungen nach wie vor zum ACS gelangten, fühlte sich die FSK übergangen. Um diesem Missstand zu begegnen, gründete in der Folge eine Gruppe um Charles Defrancesco in Lausanne den ACS-Karting-Club. Nun endlich erklärte sich der ACS bereit, die Kartsport-Vereinigung als vollwertiges Mitglied aufzunehmen.
Verbandsgründung
Da die Bezeichnung «ACS-Karting-Club» zu wenig Rückschlüsse auf eine nationale Dachorganisation zuliess, wurde am 1. Mai 1962 der «Kart Club der Schweiz» (KCS) aus der Taufe gehoben, wonach die «Fédération» am 8. September des gleichen Jahres aufgelöst wurde. Von diesem Zeitpunkt an hat sich der Kartsport in der Schweiz ständig aufwärts entwickelt. Indem sich jedoch viele, die sich in einer ersten Euphorie von diesem Motorsport begeistern liessen, recht bald merkten, dass der Kartsport keine Spielerei, sondern ein echter Sport ist, der viel Zeit, harte Arbeit, Ausdauer und nicht zuletzt auch Geld erforderlich machte. Die weitere Entwicklung, die sich nach dem Boom der Jahre 1963/64 eingestellt hatte, setzte sich nicht mehr so rasant fort.
Vom KCS zum SKV bis zum ASS
Nachdem die ursprüngliche «Fédération Suisse de Karting» darunter gelitten hatte, dass sie international nicht beachtet wurde, musste auch der «Kart-Club der Schweiz» zunehmend darunter leiden, dass international die Dachorganisation eher als Club denn als eigentlicher Verband aller Kartclubs der Schweiz angesehen wurde. Unter der Leitung von Ernst C. Buser, als langjähriger Präsident der Internationalen Kart-Kommission (CIK) – sozusagen «Kartsport in Person» – wurde die Dachorganisation neu in «Schweizerischer Kartsport Verband» (SKV) umbenannt. Dieser international anerkannte Name stellte in der Folge sicher, dass es sich beim SKV um die Dachorganisation aller Kart-Clubs handelte.
Dem SKV folgte viele Jahre später ein neuer Name, jedoch mit der gleichen Funktion, nämlich die «Swiss Karting Organisation» (SKO). Alle diese Organisationen (KCS, SKV, SKO) waren zwar formell dem ACS angeschlossen, aber völlig autonom. Dies änderte sich, als 2004 der Internationale Automobil Verband (FIA) die nationalen Automobil-Clubs aufforderte, die Hoheit im Kartsport wieder unter ihre Obhut zu nehmen. In der Folge wurde in der Schweiz die Sporthoheit völlig neu organisiert und die «AutoSportSchweiz» (ASS) GmbH aus der Taufe gehoben. Der Sitz von ASS, dem Schweizer Dachverband für den Automobil- und Kart-Rennsport ist seither in Bern-Liebefeld angesiedelt.